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4. Die neue “Agenda Patientensicherheit” des APS In Kapitel 6 und Kapitel 7 werden die gesundheitspolitischen Implikationen dargestellt und eine neue Agenda Patientensicherheit” entwickelt. Die wichtigsten Forderungen sind hier aufgeführt: 1. Kontextbezug und Zielorientierung aktualisieren. 2. Patientensicherheit vor dem Hintergrund der notwendigen Entwicklungsperspektiven des deutschen Gesundheitssystems diskutieren. 3. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit geht offen und transparent mit den unterschiedlichen Verständnismöglichkeiten des Themas Patientensicherheit um, legt das Patienten-orientierte Verständnis als Basis fest und vertritt im Grundverständnis ein integratives, arbeitsteiliges Modell. 4. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit stellt in Verständnis und Definition von Patientensicherheit die Eigenschaften der Beteiligten und deren Innovationskompetenz in den Mittelpunkt. 5. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit vertritt den Standpunkt, dass nach einer langen Phase der von anderen gesellschaftlichen Bereichen (z.B. Luftfahrt) übernommenen Analog-Lösungen der Zeitpunkt gekommen ist, verstärkt Branchen- typische Gegebenheiten in den Mittelpunkt zu stellen. Dies ist kein Aufruf zur Verminderung, sondern zur Verstärkung der Aktivitäten, denn die im Gesundheitswesen bestehenden, in der Sozialisation begründeten Hindernisse müssen durch einen verstärkten und gezielteren Einsatz von Veränderungsstrategien überwunden werden. Die Hindernisse bestehen aus drei spezifischen Aspekten: Intrsinsische Unsicherheit, Innovationsparadoxon und Persistenz der apersonalen Regelgebundenheit. 6. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit setzt die Patientenperspektive an die oberste Stelle. 7. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit betont die wichtige Rolle der Nutzenperspektive. Probleme der Patientensicherheit sind nicht unabhängig vom Nutzen der Maßnahmen zu sehen, bei denen sie auftreten. Dies ist insbesondere bei unterlassenen Verfahren (errors of omission), Anwendung von Verfahren ohne Nutzen (Überversorgung) und diagnostischen Fehlern von Bedeutung. 8. Die Diskussion der Thematik Patientensicherheit muss nach Ansicht des Aktionsbündnis Patientensicherheit ihren Fokus verstärkt auf die Regionalität bzw. den Populationsbezug der Versorgung richten. 9. Die Strukturdimension des dreidimensionalen Orientierungsrahmens muss insbesondere hinsichtlich der Wechselwirkung zwischen Interventionen zur Verbesserung der Patientensicherheit und den strukturellen Eigenschaften und Entwicklungsnotwendigkeiten des Gesundheitssystems stärkere Beachtung finden. 10. Die Bedarfsdimension des dreidimensionalen Orientierungsrahmens stellt den traditionellen Ansatz dar, Themen zu priorisieren. Die jetzige Qualitätssicherung nach §136 SGB V mit ihrer akutmedizinisch-prozeduralen Schwerpunktbildung muss bzgl. des Themas Patientensicherheit weiterentwickelt werden. 11. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit sieht die Erhebungsmethodik für Aspekte der Patientensicherheit als zentrales Element wirksamer Verbesserungsmaßnahmen und tritt für einen differenzierten Gebrauch der Messinstrumente ein, insbesondere hinsichtlich der gezielten Verwendung von klinisch-epidemiologischen Methoden und der zum Monitoring verwendeten Patientensicherheitsindikatoren. 12. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit setzt sich für ein Umdenken im derzeitig in Deutschland üblichen Erfassungsmethodik im Qualitäts- und Patientensicherheitsbereich ein. An vier Punkten besteht besonderer Änderungsbedarf: Primat der problemorientierten Verbesserung, Beachtung der statistischen Grundanforderungen, aktuelles Verständnis von Indikatoren, kein rein Datenverfügbarkeits-getriebenes Vorgehen. 13. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit sieht die Schwerpunkte der weiteren Entwicklung sowohl in der dezentralen Ebene  (Experten vor Ort, Teams, regionale Versorgungsstrukturen) als auch in der stärkeren Verantwortung der zentralen Führungsebene (Geschäftsführungen, Aufsichtsgremien, Verbände, Politik). Diese Bipolarität der Anforderung gilt für Organisationen genauso wie für die Systemebene. 14. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit fordert die stärkere Verbreitung und verpflichtende Durchführung von  Trainingsangeboten zur Förderung des Verständnisses von Unsicherheit und der Notwendigkeit von Interventionen zur Verbesserung (Innovation). Die im Gesundheitswesen weit verbreitete Akzeptanz von Unsicherheit („Intrinsische Unsicherheit“) muss mit diesen Trainings in Frage gestellt und durch eine Haltung ersetzt werden, die Unsicherheit als Problem anerkennt, das zielgerichtet angegangen werden kann. 15. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit fordert die stärkere Verbreitung und verpflichtende Einführung von Team- Trainingsangeboten zur Förderung des Verständnisses von Unsicherheit und der Notwendigkeit von Interventionen zur Verbesserung. Gleichzeitig muss der Einsatzbereich von Teamstrukturen vergrößert werden. 16. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit fordert die verpflichtende Einstellung von Patientensicherheitsbeauftragten und Patientensicherheitsfachkräften analog zur Krankenhaushygiene. 17. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit fordert gesetzliche Maßnahmen, die die stärkere Verantwortlichkeit der Führungs- und Aufsichtsebenen für das Thema Patientensicherheit zum Ziel haben. 18. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit betont die Bedeutung des Begriffs der zuordnungsfähigen Verantwortung, sowohl hinsichtlich des Verantwortungs-System Paradox als auch hinsichtlich der Bedeutung von Algorithmen in der Entscheidungsfindung in der Gesundheitsversorgung. 19. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit setzt sich dafür ein, dass die im primum nil nocere-Gebot enthaltene Forderung nach Patientensicherheit stärker durch professionelle Gremien, Veröffentlichungen und Beschlüsse betont wird. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit verbindet damit die Hoffnung, dass der Professionalismus der Berufsgruppen zum tragenden Element der Patientensicherheits-Bewegung wird. 20. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit fordert eine anhaltende Verantwortlichkeit der Verbände und Selbstverwaltungsstrukturen (z.B. G-BA) für die Belange der Patientensicherheit. 21. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit sieht eine zentrale Stellung der Patientensicherheitskultur als Möglichkeit, die Vorgänge im throughput der Verwirklichung von Patientensicherheit zu operationalisieren. Es besteht jedoch noch Bedarf an methodischer Weiterentwicklung der Instrumente, insbesondere hinsichtlich der Frage der organisatorischen und professionellen Heterogenität. 22. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit fordert zum Ausgleich der strukturellen Benachteiligung von Präventionsmaßnahmen (nachgelagerte Realisierung des Nutzens bei sofort anfallendem Aufwand) eine sorgfältige Integration der Instrumente Public Reporting und Pay for Performance in Verbesserungsmaßnahmen der Patientensicherheit. 23. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit setzt sich dafür ein, neben den einfachen lerntheoretischen Modellen, die auf Feedback-Verfahren basieren, auch höhergradige Veränderungsansätze zu nutzen (z.B. organisatorisches Lernen, Kontext- bezogene Modelle). 24. In der Konsequenz setzt sich das Aktionsbündnis Patientensicherheit dafür ein, Patienten als aktive Partner in die Weiterentwicklung der Verbesserungsinstrumente zu integrieren. 25. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit setzt sich dafür ein, zur Steuerung von Organisationen und System für die Verwirklichung von Patientensicherheit relevante Prozessparameter zu favorisieren, weil die ex post-Betrachtung auf der Basis der Outcomes zwar sehr wichtig ist (zur Beschreibung des Status Quo), aber bei Verwendung als Steuerungsparameter zu sehr durch die ex post-Perspektive und den Anreiz zu gaming-Strategien kompromittiert ist. 26. Technische und digitale Elemente (Health Information Technology (HIT)) sind wichtige Bestandteile von Interventionen zur Verbesserung der Patientensicherheit. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit ruft zu einer differenzierten und hinsichtlich der bereits heute erkennbaren paradoxen Effekte kritischen Nutzung dieser Technologien auf. 27. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit stellt die Komplexen Mehrfachinterventionen (Complex Multicomponent Interventions, CMCI) in den Mittelpunkt zukünftiger Verbesserungsstrategien. Dieser Interventionstyp besteht regelhaft aus mehreren Einzelinterventionen, die jeweils unterschiedlichen Bereichen entstammen (Technik, Integration der Patienten, Lernen, Organisation, System). Die internationalen Untersuchungen haben in mehreren Bereichen gezeigt, dass mit CMCIs Verbesserungen der Patientensicherheit in einem Maße erreicht und nachhaltig gesichert werden können, die um Größenordnungen über den bisherigen Ergebnissen liegen. 28. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit fordert die gesundheitspolitischen Entscheidungsträger zum Beginn der laufenden Legislaturperiode auf, die „Qualitätsoffensive“ der letzten Legislaturperiode im Sinne einer „Patientensicherheits-Offensive fortzuführen.
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16.08.2018 Vorstellung des “APS-Weißbuch Patientensicherheit - Sicherheit in der Gesundheitsversorgung: Neu denken, gezielt verbessern” (Forts. 4) Pressekonferenz im Bundespressehaus, Berlin
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